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Nachdenklich bis ernste Gedichte | Martina Müller
 
Im Schneckenhaus...


In meinem ersten Leben war ich wohl ein Schneck’,
zieh immer aus Berührungsangst die Fühler weg;
wenn mir was nahe geht, dann reiße ich nur aus,
krieche schleunigst hinein in mein Schneckenhaus.

Ich kenn mich gut, ich kann nicht raus aus meiner Haut,
das hat bestimmt mir manche Chance schon versaut;
es nutzt mir gar nichts, dass ich längst weiß, wie es wirkt,
wenn man alles, was man fühlt, nur noch verbirgt.

Der Ursprung ist - ganz sicher - wirklich nur profan;
den schleppt ich wohl aus meinem alten Leben an:
Ich hab nicht nur zwei Fühler, hab davon gleich vier
und schließ’ viel zu schnell vom Schneckenhaus die Tür.

Mich hat erschreckt, dass grade der Halm sich gebeugt,
der mir doch eben noch hat Festigkeit gezeigt,
das scheucht' mich auf und eh ich danach komm zur Ruh,
fiel die Schneckenhaustür hinter mir längst zu.

Hast du nicht einmal schon den Finger ausgestreckt,
wenn du hast so ein kleines Schneckentier entdeckt;
du tippst es an, das ist ganz leicht und dir gibt’s Spaß;
- ein verschlossnes Häuschen liegt vor dir im Gras.

Den Fluchtimpuls löst manchmal aus ein kleines Wort;
gar schnell gesagt und nicht gedacht, schwupps, bin ich fort;
so wie die dummen Schneckentiere nun mal sind.
Aus Erfahrung - alt - macht man gebranntes Kind.

Ich wünscht’ mir manchmal, meine Fühler fielen ab,
sodass ich überhaupt gar keine dann mehr hab;
sie sind im Wege nur und für mich viel zu groß,
ich eck an damit und werf die Tür ins Schloss.

Hast du schon einmal eine Schnecke angehaucht?
Ja, na dann weißt du es doch, dass sie Wärme braucht;
ihr gehts dann gut und sie fährt ihre Fühler aus
und kommt voll Vertrauen aus dem Schneckenhaus.

Die Wärme ist wohl immer das Geheimrezept,
für jeden Jemand, der ein Häuschen mit sich schleppt;
der ständig danach sucht und schmerzlich sie vermisst,
wenn die Tür vom Schneckenhaus geschlossen ist.

Text: © by Martina Müller
 
 
 © Martina Müller / 2009