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Hobby-Fotografie | © by Martina und Wolfgang

      Zusätzlich gebuchte Fahrt durch die Lagune von Venedig         ...bei schönstem Sonnenschein

Bevor wir das kleine Schiff für die Lagunenfahrt besteigen, müssen wir die Möglichkeit für eine Toilettenbenutzung su-
chen. Nicht jede Gaststätte besitzt so ein Örtchen, hier ist das für die Erteilung einer Konzession keine Pflicht. Es ist also sehr ratsam, sich erst richtig zu orientieren, ehe man sich einen Kaffee bestellt, der dann den Weg zum Örtchen ebnet.
Wir überqueren die letzte Brücke, kommen pünktlich am Schiff an und zücken unseren Fahrschein. Antonella hält den grünen Regenschirm steil in die Höhe, um auch den letzten Schäfchen unserer Herde den Weg zu weisen und sie ziel-
sicher einzusammeln. Als wir zahlenmäßig komplett sind, gibt sie das Startsignal. Unser Boot legt ab, die Reise beginnt.
Die Siedlungen, aus denen Venedig entstand, liegen auf Schwemmland, das nacheiszeitliche Flüsse hervorbrachten. Die im Mündungsgebiet entstandene Lagune umfasst eine Fläche von rund 550 km² und wird von 60 km langen Sandbän-
ken gegen die Adria abgegrenzt. Nur etwa drei Prozent der Fläche bedecken Inseln, der Rest ist Watt- und Marschland (Barene) und aus etwa 92 km² Fischfanggründen, den Valli da pesca. Die Barene werden von natürlichen Kanälen durch-
zogen, die man Ghebi nennt. Um 1900 umfassten die Barene mehr als 250 km². Im Gegensatz zu häufig überschwemm-
ten Barenen tragen die Velme, die Untiefen, nur geringe Vegetation, weil sie nur bei sehr tiefem Wasserstand frei liegen.
Wir erfahren, dass die Lagune ab etwa 4000 v. Chr. durch Ablagerungen der Brenta und anderer Flüsse und Bäche Oberitaliens entstand. Während der letzten Eiszeit lag der Meeresspiegel 120 m unter dem Niveau von jetzt, stieg aber über einen großen Zeitraum um 110 m an. Seither steigt der Wasserspiegel stark schwankend noch immer weiter.
Seit dem frühen 20. Jh wurden zahlreiche Kanäle vertieft und verbreitert, was erheblich mehr Salzwasser in die Lagune führt und die Strömungsgeschwindigkeiten erhöht. Das sind Umweltsünden, die sich jetzt mit ihren Folgen rächen.
Die Lagune von Venedig wird durch maritimes Klima der nördlichen Adria geprägt. Die Temperaturen bleiben im Bereich milder Wärme und die größten Niederschlagsmengen fallen vorwiegend im Monat November. Die heutige Ausnahme, die-
ser herrliche Sonnentag, bestätigen die Regel. Was haben wir für Glück mit dem Wetter. Weit und breit keine Wolke.
Der nördliche Teil der großen Lagune enthält vorwiegend Süßwasser und wird vom Gezeitenwechsel, der etwa 418 km² beträgt, kaum berührt. Das ist Laguna morta, die tote Lagune. Die Salzwasserlagune, deren Wasserstand mit Ebbe und Flut sinkt und steigt und vom Meerwasser stärker durchspült wird, heißt hingegen Laguna viva, die lebende Lagune.
Neben den sechs Sestieri der Altstadt umfasst der Bezirk den mittleren und den nördlichen Teil der Lagune mit zahl-
reichen Inseln, zu deren wichtigsten die Glasbläserinsel Murano, das nordöstliche Insel-Trio Burano, Mazzorbo und Torcello sowie die Gemüseinseln Sant’Erasmo und Vignole gehören. An einigen wichtigen und auch interessanten Inseln fährt uns das Boot auf der Lagunenfahrt vorbei.
Wenn wir in Ufernähe sind, können wir in Höfe, Gärten und in weiterführende Kanäle der jeweiligen Insel sehen. Jedes Inselchen erscheint uns wie ein kleines Venedig, denn auch hier beherrschen Wasser und Brücken das Bild.
Die Municipalità Lido-Pellestrina nimmt hingegen den östlichen Teil der Lagune mit der von Chioggia bis Jesolo reichen-
den Nehrung ein, die die Lagune zur Adria hin abschließt. Der nördlichere Lido di Venezia entwickelte sich im 19. Jh. zu einem mondänen Seebad mit luxuriösen Hotels und Spielcasino. Pellestrina lebt von Fischfang und Muschelfischerei.
Rund um den Kernbereich der Stadt Venedig liegen zahlreiche Inseln, denen bereits im Mittelalter verschiedene Aufga-
ben zugewiesen wurden: z.B. die Friedhofsinsel San Michele, eine Insel für die Glasbläser, Murano oder eine für die Ge-
mü>seproduktion, Sant’Erasmo, andere dienten militärischer Sicherung der Lagune und waren nicht weniger wichtig.
Zwei schmale, lange Sandbänke erstrecken sich über mehr als 20 km Länge südwärts von Venedig weit in die Lagune.
Außer Fischfang und Muschelfischerei, die betrieben wurden, war das Monopol auf Salz eine wichtige Quelle für Reich-
tum der Lagunenstadt, denn die Salzgewinnung war von größter Bedeutung für die Konservierung von Fleisch und Fisch.
In einer Stadt mit wenigen Parkanlagen, wie den Giardini Papadopoli, dem Biennalegelände oder dem Garten vor den Prokuratien, beziehen sich Umweltfragen mehr auf den Bestand der Lagune. Dabei ist drängendstes Problem die immer häufigere Überschwemmung der Stadt, aber auch die Zerstörung der Lagune, die damit untrennbar zusammenhängt.
Die Lagune Venedigs bedeckt eine Fläche von ca. 550 km². Rund 8% der Lagunenoberfläche bestehen aus Inseln, dazu gehört auch die Altstadt Venedigs selbst und eine Reihe kleinerer Inseln, 11% sind immer vom Wasser bedeckt, incl. der Kanäle. Der Rest besteht aus nicht mehr ergiebigen Fischgründen, sowie aus Watt- & Marschland und Fischzuchtbecken.
Die Fluten spülen einerseits Land hinweg, lagern aber auch an anderer Stelle Sedimente ab. Die Landgewinnung wird in Venedigs Lagune wie an jeder Meeresküste offensiv und gezielt betrieben. Ohne weitere menschliche Eingriffe würde sich die Lagune in ein tiefes Wasserbecken verwandeln, in dem Sandbänke und Salzmarschen (Barene) verschwinden.
Das liegt daran, dass ursprünglich kleine Flüsse in die Lagune mündeten, die die Republik Venedig in die Adria umleitete, um eine Verlandung zu verhindern. Die Stadt erhielt sich so Schutz durch das sie umgebende Wasser. Fehlender Nach-
schub und verstärkte Erosion verändern die Lagune stetig. So verliert die Lagune jedes Jahr rund 500.000 m³ Land.
Das Verschwinden von Salzmarschen, Sandbänken und Untiefen bedroht massiv die Artenvielfalt und macht ein Gegen-
steuern dringend notwendig. Dabei schreitet die Verlandung des Nordens, der laguna morta, schneller voran. Hingegen wird das Wasserbecken im Süden, die laguna viva, immer tiefer und lebensfeindlicher. Der Pflanzenbewuchs am Lagu-
nenboden ist von immens großer Bedeutung, da durch die Pflanzenwurzeln die Bodenerosion gemindert wird.
Die Lagune, wie sie heute besteht, ist ein Biotop aus Menschenhand, das unter Beibehaltung der derzeitigen Bedin-
gungen in wenigen Jahrzehnten verschwunden sein wird. Daher wird derzeit darüber nachgedacht, einige Flüsse zu-
mindest zeitweise in die Lagune zu entwässern, wobei künstliche Kanäle die Verteilung der Sedimente unterstützen.
Hier endet die Lagunenfahrt und wir haben eine Menge Umweltwissen aufgenommen, um die wesentlichsten Zusam-
menhänge für Venedigs Schwierigkeiten bei der Erhaltung von Stadt und Lagune verstehen und einordnen zu können.
 
 © Martina & Wolfgang Müller / 2009  <== zurück zur Auswahl